Auskunftsersuchen gegenüber Kirchen

Einleitung

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gilt in der gesamten Europäischen Union – doch wie sieht es aus, wenn kirchliche Arbeitgeber ins Spiel kommen? Viele Menschen arbeiten bei kirchlichen Einrichtungen, etwa der evangelischen oder katholischen Kirche. Doch was passiert, wenn ehemalige Mitarbeiter Einblick in Personalakten oder interne Protokolle verlangen? Gilt hier die DSGVO? Oder greift kirchliches Sonderrecht?

Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wirft ein Schlaglicht auf diese komplexe Gemengelage. Genauer gesagt, geht es um einen Fall, der sich im Bereich der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) abspielte. In diesem Beitrag zeigen wir auf, wie der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch gegenüber Kirchen geregelt ist, welche Rechte (ehemalige) Mitarbeiter haben – und wo das aktuelle Datenschutzrecht an seine Grenzen stößt.

Streit um Auskunftsersuchen nach EKD-Datenschutzgesetz

Die Klägerin war über Jahrzehnte hinweg als Organistin und Chorleiterin bei einer evangelischen Kirchengemeinde beschäftigt. Im Jahr 2006 fand eine nichtöffentliche Sitzung des Kirchengemeinderats statt. Inhaltlich befasste sich die Sitzung ausschließlich mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen gegen die Klägerin, die selbst nicht anwesend war. Trotz mehrfacher Anfragen wurde ihr die Einsicht in das Sitzungsprotokoll verweigert.

Auch eine vorübergehende Anordnung des Datenschutzbeauftragten der EKD, die Einsicht unter Schwärzung personenbezogener Daten Dritter zu gewähren, wurde später wieder zurückgenommen. Die Klägerin klagte schließlich auf Herausgabe einer Kopie sowie auf immateriellen Schadenersatz – und erhielt vor dem BAG Recht.

Umfang des Auskunftsanspruchs zur Personalakte

Das BAG stellte fest, dass das Protokoll inhaltlich einen engen Bezug zum Dienstverhältnis der Klägerin hatte und somit Teil der sogenannten „materiellen Personalakte“ sei. Diese umfasst nicht nur formell abgeheftete Unterlagen, sondern alle Dokumente, die personenbezogene Informationen mit Bezug zum Arbeitsverhältnis enthalten. Somit ist das Protokoll, obwohl es nicht in der offiziellen Personalakte der Kirche abgelegt wurde, dennoch inhaltlich relevant.

Recht auf Kopie auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Das Gericht stellte außerdem klar, dass das Recht auf Einsicht und Kopie nicht automatisch mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses entfällt. Aus § 241 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den Grundrechten (Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG) ergibt sich eine nachwirkende Schutzpflicht des Arbeitgebers. Das bedeutet: Auch nach dem Ausscheiden aus dem kirchlichen Dienst dürfen Mitarbeiter eine Kopie ihrer personenbezogenen Unterlagen verlangen, wenn diese ihre Rechte berühren.

Keine Blockade durch die Nichtöffentlichkeit der Sitzung

Ein weiteres Argument der Kirchengemeinde – die Nichtöffentlichkeit der Sitzung und bestehende Verschwiegenheitspflichten – überzeugte das BAG nicht. Die Geheimhaltungsvorschriften dienen primär dem Schutz der betroffenen Personen vor der Öffentlichkeit, nicht jedoch vor sich selbst. Ihnen als betroffener Person darf die Einsicht nicht verweigert werden. Das Gericht stellte sogar klar: Gerade der Schutz vor unrichtigen oder unvollständigen Informationen in der Personalakte rechtfertigt einen weitreichenden Einsichtsanspruch.

Kirchlicher Datenschutz: Wie weit reicht das Sonderrecht?

Die DSGVO erlaubt es Kirchen in Art. 91 Abs. 1, eigene Datenschutzregelungen weiter anzuwenden, wenn diese bereits vor Inkrafttreten der DSGVO bestanden und mit deren Grundsätzen „in Einklang“ stehen.

Das Kirchengesetz über den Datenschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland (DSG-EKD) wurde allerdings erst nach dem 24. Mai 2016 neu gefasst. Ob dieses neue Gesetz vom Bestandsschutz gedeckt ist, ist juristisch umstritten. Doch selbst wenn man diesen Bestandsschutz bejaht, stellt sich die Frage: Entspricht das DSG-EKD inhaltlich der DSGVO?

Fehlender Anspruch auf Kopie

Die DSGVO sieht in Art. 15 Abs. 3 ausdrücklich vor, dass betroffene Personen eine Kopie der verarbeiteten Daten erhalten dürfen. Im DSG-EKD fehlt diese Regelung jedoch. Das BAG konnte dieses Problem umgehen, indem es auf eine spezielle kirchliche Regelung im Landeskirchenrecht von Württemberg (KAO) auswich. Doch in anderen Kirchenregionen gibt es ähnliche Vorschriften nicht.

Ein Beispiel: In Niedersachsen erlaubt die Personalaktenordnung (PAO) zwar die Einsichtnahme, aber nur vor Ort, unter Aufsicht und mit Kostenbeteiligung. Diese Einschränkungen können in der Praxis erhebliche Hürden darstellen.

Welchen Anspruch haben Mitarbeiter in der Kirche?

Wenn Personen aktuell oder ehemals bei einer kirchlichen Einrichtung beschäftigt sind, haben sie grundsätzlich ein Recht auf Auskunft über Ihre personenbezogenen Daten. Wichtig ist:

  • Mitarbeiter können eine Kopie Ihrer Daten verlangen – nicht nur eine Einsicht vor Ort.
  • Mitarbeiter können sich auf Art. 15 DSGVO berufen, ggf. ergänzt um kirchenspezifische Vorschriften wie § 3 Abs. 5 KAO.
  • Kirchliche Organisationen müssen in der Regel innerhalb eines Monats reagieren.
  • Der Datenschutzbeauftragte der Kirche sollte hinzugezogen werden.
  • Lassen Sie sich rechtlich beraten, insbesondere wenn Ihre Daten zur Grundlage von arbeitsrechtlichen Maßnahmen wurden oder werden.

Fazit

Das Urteil des BAG zeigt: Auch kirchliche Arbeitgeber müssen sich an grundlegende Datenschutzprinzipien halten. Die Sonderstellung der Kirche kann nicht dazu führen, dass Betroffenen elementare Rechte vorenthalten werden. Gerade wenn es um sensible arbeitsrechtliche Inhalte geht, ist Transparenz besonders wichtig.